©Matthias Drösler - PSC
Das Projekt gliedert sich in vier Hauptmodule die jeweils unterschiedliche Teilfragestellungen beinhalten.
Modul 1: Pflanzenetablierung
Ein wesentlicher Schwerpunkt des Forschungsvorhabens liegt auf der Erarbeitung eines Handlungsleitfadens für die erfolgreiche Etablierung von Rohrkolben, Schilf, Rohrglanzgras und verschiedenen Großseggen. Da für großflächige Etablierungen aus wirtschaftlicher Sicht vermutlich nur die Saat infrage kommt, wird neben verschiedenen Saatstärken auch die Saatgutgewinnung von autochthonem (bodenständigem) Pflanzmaterial im Freisinger Moos getestet. Da von einigen Arten bekannt ist, dass sie sich nur schlecht generativ vermehren, wird parallel ebenfalls die vegetative Vermehrung und die Etablierung mittels Pflanzung getestet und hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit überprüft. Wie bei der Saat-Variante, werden bei der Pflanzung ebenfalls unterschiedliche Pflanzverbände geprüft. Zudem wird der Einfluss des Grundwasserstandes auf den Etablierungserfolg sowie die Biomasse-Entwicklung untersucht. Die Etablierungsversuche werden ausschließlich im Testgebiet Freisinger Moos durchgeführt. Anhand der erzielten Ergebnisse werden die besten Etablierungsstrategien in Abhängigkeit der Pflanzenart auf die beiden weiteren Testgebiete (Schwäbisches und Bayerisches Donaumoos) übertragen, um dort großflächige Demonstrationsflächen im landwirtschaftlichen Maßstab anzulegen.
Modul 2: Umwelteffekte & Klimarelevanz
Im Freisinger Moos werden auf einem bisher intensiv bewirtschafteten Grünland in großflächigen Spundwandbecken die vier unterschiedlichen Paludikultur-Pflanzen (Rohrkolben, Gemeines Schilf, Rohrglanzgras, Großseggen) hinsichtlich ihrer Klimawirksamkeit entlang eines Wasserstands-Gradienten untersucht. Dafür werden die Flüsse von Kohlenstoffdioxid, Methan und Distickstoffmonoxid (Lachgas) im 2-4-tägigem Rhythmus mittels einer automatisieren Messvorrichtung erfasst und durch empirische Modellierung Treibhausgasbilanzen sowie Kohlenstoffbilanzen berechnet.
Die Gesamtbilanzierung des Kohlenstoffhaushalts gibt dabei Aufschluss, ob die entsprechende Paludikultur bzw. der Moorkörper netto an Kohlenstoff verliert, neutral ist oder evtl. sogar eine Senke darstellt. Im Gegensatz zur Kohönstoff-Bilanz gibt die Treibhausgasbilanz einen Aufschluss, inwieweit das System klimaerwärmend, klimaneutral bzw. sogar klimakühlend wirkt. Durch eine sehr präzise Grundwassersteuerung und die automatisierte Messtechnik wird erwartet, dass bereits bestehende Spurengasaustauschmodelle wesentlich verbessert werden können und somit eine deutliche Reduktion in den Modellunsicherheiten erreicht werden kann. Die optimierten Spurengas-Modelle sollen im Anschluss in den Donaumoos-Testgebieten validiert werden.
Neben der Klimawirksamkeit wird in Modul 2 auch die Veränderung der Biodiversität untersucht. Ziel ist es, die naturschutzfachliche Wertigkeit der Nutzungsänderung hinsichtlich der floristischen und faunistischen Biodiversität bewertbar zu machen. Dafür werden regelmäßige Vegetationsaufnahmen durchgeführt und anhand von Umweltvariablen (z. B. Wasserstand, Torfmächtigkeit, Nährstoffversorgung, etc.) werden Ähnlichkeiten und Unterschiede der Vegetationsentwicklung und deren Steuerfaktoren in den verschiedenen Varianten mittels Klassifikations-, Ordinationsverfahren sowie Clusteranalysen identifiziert. Zusätzlich werden für die Einschätzung der Effekte auf die faunistische Biodiversität Revierkartierungen der Avifauna (Vogelarten) sowie von Heuschrecken vorgenommen.
Modul 3: Verwertungspotenziale
Neben der Prüfung klassischer Verwertungsschienen (Verbrennung oder Biogas) werden auch neue, innovative Verwertungsmöglichkeiten (z. B. Torfersatzstoffe, Dämmung, Biogene Polymere) der anfallenden Biomasse getestet bzw. entwickelt.
a) Thermische Verwertung
Die Brennstoffanalyse soll an unterschiedlichen Pellet-Brennstoffen sowie Häckselgutchargen, die aus der Paludikultur-Biomasse hergestellt werden, erfolgen. Mittels Feuerungsversuchen werden der Wirkungsgrad, die Ascheeigenschaften (u. a. Agglomerationen, Anbackungen, Restkohlenstoff), die limitierten und unlimitierten Abgaskomponenten (Kohlenstoffmonoxid, Organischer Kohlenstoff, Stickstoffmonoxid, Sauerstoff, Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff, Methan und Staub) sowie die Notwendigkeit einer sekundären Abgasnachbehandlung untersucht.
b) Biogasnutzung
Schlüsselparameter zur Beurteilung der Eignung eines Substrates für die Verwendung in einer Biogasanlage sind der spezifische Biogas- oder Methanertrag (LN/kg oTM) sowie der Biogas- oder Methanertrag pro Fläche (m³/ha). In dem Teilmodul werden der spezifische Biogas- und Methanertrag der unterschiedlichen Paludikultur-Arten in Abhängigkeit von Schnittzeitpunkt und unterschiedlichen Substrat-Aufbereitungen ermittelt sowie Versuche zum Langzeitverhalten und der Prozessstabilität der spezifischen Gaserträge und -qualitäten der einzelnen Paludikulturen durchgeführt.
c) Torfersatzstoffe
Um die Eignung der geernteten Paludikulturen als Torfersatzstoff zu ermitteln, werden verschiedene Aufbereitungsverfahren (mechanische Aufbereitung durch Zerkleinerung, Kompostierung des zerkleinerten und des aufgefaserten Häckselgutes, Verkohlung des zerkleinerten Häckselgutes mittels hydrothermaler Carbonisierung (HTC) und mittels Pyrolyse (thermale Dekompostierung) miteinander verglichen. Dabei wird sowohl von unbehandeltem Häckselgut (primäre Verwertung) als auch von festen Rückständen der Biogasgewinnung (Kaskadenverwertung) ausgegangen.
d) Biogene Polymere
Ziel dieses Projektteils ist die Entwicklung eines Naturfaserverbundwerkstoffs mit Typha- und Seggenfasern. Dafür werden Rohfasern durch gezielte Mahlung soweit aufbereitet, dass sie sich für die Compoundierung (Beimischung von Zuschlagstoffen) mit Biokunststoffen eignen. Ein daraus hergestelltes Granulat soll eine kontinuierliche Extrusion als Strang und den Spritzguss in Formteile erlauben.
e) Dämm- und Baustoffe
In dem Teilmodul werden aus der Blattmasse des Rohrkolbens Dämmstoffplatten gefertigt, die zusätzlich statische Funktionen erfüllen können. Dabei werden unterschiedliche organische Kleber hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Wärmeleitfähigkeit, bauphysikalische Größen sowie Brandschutz- und akustische Eigenschaften getestet.
Modul 4: Wirtschaftlichkeit, Übertragbarkeit und Handlungsoptionen
Ziel des Einsatzes von Paludikulturen ist die weitestgehende Wiederherstellung der ökologischen Serviceleistungen von natürlichen Mooren bei gleichzeitigem Erhalt der landwirtschaftlichen Produktionsfunktion ehemaliger trockengelegter Moorstandorte. Die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Einsatzes der vier im Projekt untersuchten Paludikulturen wird sich deshalb an der „Wiederherstellungskostenmethode“ orientieren. Darüber hinaus gilt es die Nicht-Gebrauchswerte – aber auch nicht monetär bewertbare Folgen der Wiederherstellung von Mooren mittels der untersuchten Paludikulturen – auf der Ebene des Einzelbetriebes zu erheben. In diesem Modul sollen dafür die Nutzungsmöglichkeiten aller vier im Projekt bearbeiteter Paludikultur-Pflanzenarten zunächst hinsichtlich ihrer einzelbetrieblichen Wirtschaftlichkeit untersucht werden.
Dabei wird für die Untersuchungsstandorte zunächst analysiert, welche Kulturen aus der bisherigen Nutzung durch die Paludikulturen aus der Produktion genommen werden würden und welche monetär bewertbaren Einkommensänderungen damit verbunden wären. Als ganze oder teilweise Kompensation lassen sich jedoch neue Einkommensbeiträge aus den Paludikulturen erzielen. Hierbei ist zu klären, welche der vier untersuchten Paludikulturen als ganze oder teilweise Substitute für die auf den gleichen Standorten bisher angebauten Kulturen dienen können und welche Auswirkungen auf die Einkommensbeiträge aus der Landwirtschaft sich daraus für die jeweiligen Standorte ableiten lassen.
Sofern für einzelne bisherige Nutzungen von Moorstandorten keine der vier untersuchten Paludikulturen als Substitut in der bisherigen Betriebsorganisation in Frage kommt, ist die Frage zu klären, welche Investitionen/Betriebsumstellungen notwendig wären, damit die in ihrem Einkommensbeitrag standortspezifisch bestmögliche Paludikultur für eine neue Betriebsausrichtung genutzt werden könnte. Darüber hinaus gilt es, die volkswirtschaftlichen Auswirkungen mittels geeigneter Wohlfahrtsmaße zu quantifizieren. Dafür werden ökonomische Bewertungen ökologischer Leistungen durch die Paludikulturen sowie der konventionellen Landbewirtschaftung vorgenommen. Anschließend werden die gewonnenen Ergebnisse der einzelnen Testflächen auf ihre Übertragbarkeit hin überprüft und regionale Handlungsoptionen abgeschätzt.
Ergebnisse
Die Untersuchungen im MOORuse-Projekt zeigen eindeutig das Klimaschutzpotenzial, welches durch eine Wiedervernässung von organischen Böden und der anschließenden landwirtschaftlichen Nutzung als Paludikultur erreicht werden kann. Mit einem derzeitigen Emissionsfaktor von ca. -10 Tonnen ergibt sich ein Reduktionspotential bis zu 50 Tonnen CO2-Äquivalente bei der Umwandlung von drainierten Ackerflächen in Niedermoorpaludikulturen. Damit weisen die Niedermoorpaludikulturen die aktuell höchste empirisch nachgewiesene Klimaschutzleistung aller Maßnahmen zur Minderung von THG-Emissionen im Landnutzungs-Sektor auf und können vermutlich als eine der effizientesten und kostengünstigsten natürlichen Klimaschutzlösungen angesehen werden. Gleichzeitig führen Paludikulturen zur einer naturschutzfachlichen Aufwertung der landwirtschaftlichen Flächen und bieten zahlreichen gefährdeten Tierarten einen potentiellen Lebensraum. Die erhobenen Treibhausgas-Bilanzen belegen, dass eine maximale Klimaschutzleistung bei einem mittleren jährlichen Grundwasserstand von −7 cm erreicht werden kann. Bei diesem mittleren Grundwasserstand zeigen alle sechs getesteten Pflanzenarten eine sehr hohe Produktivität von bis zu ca. 12 Tonnen Trockenmasse pro Hektar und Jahr. Nach dem aktuellen Stand der Forschung scheinen Dämm- und Baustoffplatten, Verpackungsmaterialien sowie biobasierte Kunststoffe - zumindest in der kurzfristigen Umsetzung von Paludikulturen - am vielversprechendsten in der Nutzung der anfallenden Biomasse. Trotz der hohen Produktivität und potentiellen Eignung für diverse Verwertungsoptionen ergeben sich aktuell für alle untersuchten Paludikulturen noch negative Deckungsbeiträge. Dies resultiert daraus, dass es bisher noch keine marktetablierten Veredelungsprodukte gibt. Die im MOORuse-Projekt ermittelten Werte stellen aktuell die Basis für die Ausgestaltung der Förderung im Moorbauernprogramm dar, welches ab 2024 verfügbar ist. Bei einer zusätzlichen Monetarisierung von Treibhausgas-Vermeidungskosten ist der Anbau von Paludikulturen im Vergleich zu einer konventionellen Landbewirtschaftung auf Niedermoorflächen bereits jetzt volkswirtschaftlich vorteilhafter.
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Peatland Science Centre (PSC)
Moorforschungszentrum Weihenstephan
Institut für Ökologie und Landschaft
Dr. Tim Eickenscheidt
E-Mail: tim.eickenscheidt@hswt.de